Freitag, 13. Januar 2017
Wer kooperiert, wird belohnt. Wer nicht... auch.
Einfache Prinzipien aus der Kindererziehung scheinen in der Außenpolitik nicht anwendbar zu sein. Mehrere Staaten weigern sich, ihre Staatsbürger zurückzunehmen und behindern die Ausweisung mit der simplen Papiere-werden-nicht-ausgestellt-Technik. Offensichtlich haben sie eine breite Unterstützung der Bevölkerung, die - wie in Tunesien - sehr froh darüber ist, dass die kriminellen Individuen zu einem Exportgut Nr. 1 geworden sind und zum großen Teil außer Landes sind.



Basierend auf dem Transparent könnte man fast denken, dass sich zur Zeit zahlreiche deutsche Gefährder auf den Weg nach Tunesien machen. Umgekehrt dürfte die Frage erlaubt sein, ob nun Deutschland zum Abfall Tunesiens werden sollte. Das Verhalten sowohl der Behörden, als auch der Demonstranten zeugt vom einem hohen Verantwortungsgefühl eigenen Bürgern gegenüber.

Das Konzept, kooperative Staaten zu belohnen und die nicht kooperativen zu sanktionieren liegt auf der Hand. Da kommt es einem eigentlich entgegen, dass Deutschland seit Jahren die Maghreb-Staaten großzügig finanziell unterstützt und nun eine kleine Gegenleistung erwarten dürfte. Seit Beginn der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit in den 60er Jahren hat Tunesien aus Deutschland Entwicklungshilfe in Höhe von über 1,5 Milliarden Euro erhalten. Ein anderes "Problemland", Marokko, ist der größte Empfänger deutscher Fördermittel in der Region Nahost und Nordafrika. Wenn die aus Deutschland fliessenden Gelder nicht Grund genug sind, brav die eigenen Bürger zurückzunehmen und etwas Dankbarkeit zu zeigen, wäre die Kürzung der Entwicklungshilfe eine hervorragende Möglichkeit, fehlende Kooperation zu sanktionieren. Wahrscheinlich würde die Androhung bereits hochwirksam sein. Schade, dass wir uns diese Option gerade selbst wegnehmen, in dem jeder tunesische Amtsträger online nachlesen kann, was der deutsche Finanzminister von diesem Vorschlag hält:



Alles beim Alten also. Wir finanzieren Länder, die schlecht regiert werden, die korrupt sind, die sich mehr um die militärische Macht und Wohlstand der herrschenden Elite sorgen, als um die Rechtsicherheit eigener Bürger und wirtschaftlichen Fortschritt. Die Zuschüsse im Rahmen der Entwicklungshilfe werden von den Machtinhabern in den Empfängerländern als großer Erfolg gefeiert, obwohl sie langfristig nur zur Konservierung des Status quo führen und den Reformdruck schwächen. Der ehemalige deutsche Botschafter in Afrika, Volker Seitz, hat ein fantastisches Buch über diese Thematik geschrieben, das mittlerweile zu einem Klassiker unter den vor Ort arbeitenden Helfern geworden ist (zumindest denen, die etwas kritischer sind und die üblichen Floskeln der World Bank und Bono nicht für bare Münze nehmen):

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Manchmal frage ich mich, wie dumm bin ich eigentlich, dass ich die Motive nicht durchschaue, die ausgerechnet einen Herrn Schäuble von dieser Maßnahme zurückhalten. Ist es Verbrüderung mit korrupten Kapitalisten oder verantwortungsbewusste Weitsicht? Haben Sie eine Ahnung?

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@Cristina: Was sich unser Finanzminister dabei dachte, kann ich beim besten Willen nicht erraten. Dass jemand, der so stolz auf seine strenge Fiskalpolitik ist, auf der anderen Seite aber die Optionen nicht nutzen will, die uns die großzügige Entwicklungshilfe ermöglicht, wundert mich sehr. Dabei sind die sozialen Ausgaben, die der Verbleib abhelehnter Asylbewerber im Lande verursacht, enorm. Dass er seine Meinung dazu noch öffentlich macht, schadet eindeutig den deutschen Interessen. Jetzt wissen die Maghreb-Länder, dass wir es mit Sanktionen nicht ernst meinen.

Übrigens, warum "korrupte Kapitalisten"? Ich höre diese zwei Begriffe nebeneinander recht häufig in Deutschland, dafür aber sehr selten in Polen und frage mich manchmal warum. Vielleicht weil Polen deutlich mehr Erfahrungen mit Korruption hatte? Im Kommunismus war direktes (Bargeld) oder indirektes (gegenseitige Gefallen) Bestechen Alltag. Man musste alles "organisieren" (dafür haben Polen sogar eine spezielle Bezeichnung: "kombinować" = "kombinieren"): Fleisch, Arzttermin, Toilettenpapier, Benzin, Wohnung, Auto... Die Menschen, die über die ohnehin knappen Ressourcen verfügten, waren automatisch in einer Machtposition. Damit meine ich nicht mal höhere Beamte oder Parteimitglieder, sondern z.B. Fleischverkäuferinnen. Um Fleisch kümmerte sich in meiner Familie meistens meine Oma, die als Laborleiterin wiederum eine gute Kontaktperson für alle Krankenhausangelegenheiten war. Und so drehte sich das weiter. Heute, im kapitalistischen Polen, spielt Korruption im Alltag praktisch keine Rolle, was sich auch im Transparency International Index gut widerspiegelt (jedes Jahr erzielt Polen 1-2 Punkte mehr). Diese Veränderungen wurden auch durch konsequente Politik und einige spektakuläre Korruptionsprozesse unterstützt.

Die Korruption entsteht i.d.R. dort, wo private und staatliche Interessen aufeinander treffen. Wenn zwei private Firmen (meinten Sie das mit Kapitalisten?) miteinander ein Geschäft machen, muss niemand bestochen werden - entweder das Produkt ist gut und der Preis akzeptabel oder eben nicht. So funktioniert die freie Marktwirtschaft. Ganz anders stellt sich die Situation dar, wenn eine staatliche Institution einen Auftrag gibt (z.B. Kauf von Hundert Autos für die Polizei). Der Entscheidungsträger gibt Geld aus, das ihm nicht gehört (das macht sich immer ganz leicht) und wird es nicht persönlich verantworten müssen, falls die Qualität nicht stimmt (anders als Besitzer privater Firmen, die durch Transportprobleme erhebliche Verluste zu erwarten hätten). Das ist eine typische Situation, in der es zur Korruption kommen kann. Notwendig sind zwar beide Seiten - eine, die bereit ist zu zahlen, und die zweite, die das Schmiergeld fordert; in der Machtposition ist jedoch eindeutig der fordernde und nicht der zahlende Partner (der Kapitalist - wenn Sie damit private Firmen meinten - ist eben der letzte). Ein Beispiel aus meiner Branche: wenn ein Arzt im staatlichen Krankenhaus korrupt ist und Geld für einen schnelleren OP-Termin verlangt, ist der Patient (der Zahlende) ihm ausgeliefert. Auch wenn der Patient eine sehr anständige Person ist, wird er zum Bestechen gezwungen. Umgekehrt wird aber ein Patient den Arzt nicht bestechen können, der nicht korrupt ist, weil er keine Macht über ihn hat. Diese Tatsache ist auch die Grundlage der meisten Antikorruptionsgesetze, die deutlich höhere Strafen für den Bestochenen eingeführt haben.

Je weniger Berührungspunkte zwischen Privat und Staatlich, desto weniger Korruptionspotential. Alles, was solche Situationen schafft (Überregulierung, zahlreiche Kontrollinstanzen, Genehmigungen, Lizenzen etc.) lädt zur Korruption ein. Und wir sollten nicht vergessen, dass die von mir genannten Punkte ("mehr Staat") die Domäne der sozialistischen, und nicht der kapitalistischen Länder sind.

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Das kann ich so aus Russland ein bisschen bestaetigen. Ich glaube man kann es so zusammen fassen: weniger Staat ist auch mal gut :o)

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ich fand es immer erstaunlich dass deutschland nicht auf platz 1 ist bei dem korruptionsindex (oder zumindest ganz weit oben),eigentlich würd ich sagen,dass wir keine bis kaum korruption haben,oder????

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aber wenn wir entwicklungshilfe kürzen,werden nur arme menschen bestraft,die nix dafür können.....das kann nicht der richtige weg sein!!!!

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Kommt diese Hilfe denn wirklich den armen Menschen zugute oder versickert sie größtenteils in den Palästen der Reichen? Oder gehen die Gelder ohnehin an seriöse Hilfsorganisationen? DArüber weiß ich überhaupt nichts.

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offensichtlich ist der entwicklungshilfeminister (aus der csu!!!!) auch der meinung dass man die gelder nicht streichen sollte.....ich habe dazu folgendes gefunden::
http://m.spiegel.de/politik/deutschland/heiko-maas-will-hartes-vorgehen-bei-abschiebungen-gerd-mueller-bremst-a-1129278.html

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Ich bin während meines Engagements in unterschiedlichen Projekten in den armen Ländern zunehmend kritisch geworden, was die Entwicklungshilfe generell angeht. Es gibt immer wieder Personen (mst. Wissenschaftler/Soziologen/Ökonomen), die sich ähnlich kritisch äußern, und es überrascht mich nicht, dass einige aus Afrika selbst kommen (James Shikwati, Damisa Moyo, aber auch William Easterly, Jörg Kleis, Volker Seitz). Manche kritisieren vor allem die Korruption, die die Entwicklungshilfe fördert, einige die Art der Hilfe (z.B. Budgethilfe), aber sie alle verbindet folgendes: sie haben viele Erfahrungen in Afrika gesammelt und sind der Meinung, dass der Geldtransfer die schlechten Zustände konserviert, in dem er die vorhandenen Machtstrukturen vor dem Reformdruck seitens der Bevölkerung schützt. Warum soll sich die Regierung z.B. um den Bau der Krankenhäuser oder der Straßen kümmern, wenn es ausländische NGOs übernehmen? Wenn jemand Geld ohne Gegenleistung bekommt, verändert das einen. Wenn es über einen sehr langen Zeitraum passiert, werden die Motivation, Eigeninitiative und Selbstdisziplin immer schwächer. Ähnlich verheerende Auswirkungen scheint der seit Jahrzehnten andauernde Transfer von Milliarden Euro nach Afrika zu haben.

Zum Vergleich: Die Schätzungen gehen von einem Transfer von 1 Billion Dollar in den letzten 50 Jahren aus (in den englischsprachigen Publikationen ist die Rede von 1 Trillion, dies entspricht aber der deutschen Billion - es ist ein bisschen verwirrend und sollte nicht mit der deutschen Trillion verwechselt werden). Gleichzeitig leben in Afrika heute 50-60 Millionen Menschen mehr unterhalb der Armutsgrenze als vor 20 Jahren. Man kann sich die Rechnung sehr leicht machen und sagen - wie z.B. Jeffrey Sachs, Berater der World Bank - dass der Westen einfach zu wenig Afrika unterstützt und die Entwicklungshilfe erhöhen muss. Das ist in meinen Augen ein völlig falscher Ansatz. Ich werde dazu mal einen ausführlichen Beitrag schreiben. Auf jeden Fall bin ich mit dem reflexartigen Ruf nach mehr Geld nicht einverstanden - einerseits, weil ich gesehen habe, was mit diesem Geld passiert und wie wenig überhaupt irgendwo ankommt, wo es etwas zum positiven verändern könnte, und zweitens, weil es niemandem - und sicherlich keiner Regierung - gut tut, Geld geschenkt zu bekommen.

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Hier noch ein Text, der gut zeigt, dass das Konzept "Wir kaufen einfach alles, was die Menschen brauchen und ab dann wird alles besser" in Afrika - und wahrscheinlich nirgendwo in der Welt - richtig funktioniert. Es geht hier um das millionenschwere Milennium Villages Project von Jeffrey Sachs:
http://www.huffingtonpost.com/nina-munk/post_5536_b_3857022.html

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irgendwie ist es traurig.....ich habe immer gern gespendet....für "nen guten zweck",,,habe aber tstsächlich nie verfolgt was mit dem geld so passiert,man erwartet doch dass es sinnvoll eingesetzt wird
dass viele celebrities sich damit profilieren afrika zu helfen und paar fotos mit süssen kindern für die zeitschriften machen,ist natürlich eher egoistisch

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Hier die Erklärung zu korrupten Kapitalisten
Liebe Aus-Sicht-einer-Frau,
korrupte Kleinkriminelle im sog. Sozialismus habe ich selbst in Weißrussland erlebt, das will ich Ihnen alles gerne glauben :-)
Ich meinte eher, dass an der Entwicklungshilfe ja Firmen verdienen, die nicht unbedingt im Interesse derer handeln, denen die Hilfe zugute kommen soll. Mit korrupt meine ich nicht, dass die sich bestechen lassen, auch nicht, dass die Schäuble bestechen, aber dass sie Dreck am Stecken haben. Sowohl in diesem Land (Umgehen von Gesetzen, Steuerhinterziehung), als auch in den sog. Entwicklungsländern (Abziehen der Gelder, die dann in privaten Taschen versacken). Bei den vielfachen Wirtschaftsbeziehungen und die Verstrickung in die Politik weltweit (was ja auch nicht immer nur von übel ist), liegt es nahe, dass ein Festhalten an der sog. Entwicklungshilfe ein Hinweis auf Interessen ist, die sich der öffentlichen Kenntnis entziehen. Das ist aber mehr eine flüchtige Einschätzung, eine Ahnung, eine Angst. Mit fundierten Kenntnissen hat das nichts zu tun. Und ich bin nicht postfaktisch :-), ich sage ja nicht, dass es so ist und gebe zu, dass ich unwissend bin.
Viele Grüße,
C.Fabry

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Nach dieser Erklärung bin ich mit Ihnen absolut einverstanden :-)

Es ist sehr leicht, den "Kapitalisten" zum Sündenbock zu machen, und sehr schwierig zuzugeben, dass auch NGOs in sehr fragwürdige Geldtransfers verwickelt sind. Mir ging es vor allem darum, dass gerade bei der Korruption die Initiative und der Anreiz dazu auf öffentlich-staatlicher Seite liegen. Die Kapitalisten schwimmen einfach mit, was ich ihnen auch nicht wirklich übel nehmen kann. Die korrupten staatlichen Systeme in vielen Ländern machen es vielen Firmen einfach unmöglich, ohne Bestechungen zu überleben.

Die absurdeste Korruptionsgeschichte ist einem Freund von mir übrigens in Ghana passiert. Er stand kurz vor einem gerichtlichen Prozess und der Richter hat ihm unmissverständlich gemacht, dass er einen dicken Umschlag erwartet (das an sich ist so üblich, dass viele Ghanaer es als Normalität wahrnehmen). Es kam zu einem Treffen, an dem auch andere Mitarbeiter des Gerichts anwesend waren und der Umschlag wurde an diese überreicht, die es wiederum dem im Raum anwesenden Richter gaben (vielleicht lag es an einem Restfunken Anstand, dass er den Umschlag nicht direkt bekommen wollte, vielleicht ist es aber eine Tradition). Der Richter zählte das Geld und meinte "We have a deal".

Die Überraschung meines Freundes war am nächsten Morgen grenzenlos, als der Richter ohne mit der Wimper zu zucken ein genau umgekehrtes Urteil aussprach. Dann hat sich herausgestellt, dass es am Abend zu einem Treffen mit der Gegenpartie kam.

Ich weiß noch, dass ich damals dachte, dass es nicht mehr "normale" Korruption ist, sondern etwas total krankes, wenn man gezwungen wird, jemanden zu bestechen und sich nicht mal darauf verlassen kann
;-)

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