Sonntag, 9. Oktober 2016
Das Leben ist absurder als gedacht
Die BILD-Zeitung berichtet heute über die Empörung der iranischen Medienlandschaft nach dem Besuch der Umweltministerin aus Teheran in Berlin. Dafür hat dieses Foto gesorgt:



Zu sehen ist Massoumeh Ebtekar und deutsche Bundesministerin für Umwelt Barbara Hendricks. Grund für Empörung? Iraner dachten, dass Frau Hendricks ein Mann ist, und der Handschlag zwischen Mann und Frau würde gegen den Ayatollah-Sittenkodex verstoßen (ähnlich übrigens wie eine homosexuelle Beziehung, Alkoholtrinken und Pornofilme... es sei denn, man kommt aus der richtigen Familie). Glücklicherweise konnte ein Skandal verhindert werden, nachdem das Geschlecht von Frau Hendricks offiziell bestätigt wurde.

Die Absurdität des Lebens übertrifft mein Vorstellungsvermögen...

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Auch ich habe mit diesem Thema zu tun und würde sehr gern Ihre Meinung zu meiner Erfahrung hören. Ich betreue als Sozialarbeiterin einen Muslim, der tiefgläubig ist und aus diesem Grund einer Frau nicht die Hand gibt. Er hatte mir dies schon vor dem ersten Kennenlernen am Telefon mitgeteilt, da er damit verhindern wollte, dass ich mich kränken oder beleidigen könnte. Wir kennen uns jetzt seit etwa einem Jahr und ich habe den Klienten – nennen wir ihn Herrn Y – als einen sehr netten, höflichen und vielseitig gebildeten Menschen kennengelernt. Das Problem ist, dass es in Deutschland natürlich diverse Situationen gibt, in denen man sich den hiesigen Umgangsformen zufolge die Hand gibt. Herr Y. sucht sehr dringend eine neue Wohnung und bei Besichtigungen, die von einer Maklerin oder Vermieterin durchgeführt werden, kann es natürlich dazu kommen, dass Herr Y. in die ihm angebotene Hand nicht einschlägt, was in der Tat auf wenig Verständnis stößt. Ich habe behutsam versucht, mit Herrn Y. darüber zu diskutieren, ob es in Situationen, in denen es um äußerst wichtige Dinge wie zum Beispiels eine dringend benötigte Wohnung geht, sich vielleicht einfach mal nicht an die Vorschrift zu halten, was er aber ablehnt. Einfacher wird die ohnehin schwierige Wohnungssuche natürlich dadurch nicht.

Ich bin in meinem Kontakt zu Herrn Y. hin- und hergerissen, denn ich schätze ihn wirklich als einen sehr netten und vielseitig interessierten Menschen, aber ich merke auch, dass wir in unserer Kommunikation an Grenzen stoßen. Ich bin überrascht, dass jemand, für den die wortgetreue Befolgung des Korans nicht diskutierbar ist, trotzdem sehr friedfertig und emphatisch ist und Herr Y damit das genaue Gegenteil des Klischees des gewaltbereiten Dschihadisten darstellt. Wenn wir manchmal diskutieren (was nicht den eigentlichen Sinn unseres Kontaktes darstellt), dann wird immer wieder deutlich, dass Herr Y. den Koran als absolute Wahrheit ansieht und es für ihn sehr wichtig ist, eine wortgetreue Auslegung zu befolgen. Ich versuche auch, dies zu akzeptieren, aber ich merke, wie diese Einstellung für Herrn Y. ein wirkliches Ankommen in Deutschland (und er möchte hier bleiben) schwierig macht.

Ich habe mich schon immer für andere Kulturen und andere Religionen interessiert und bin aus diesem Grund auch viel gereist. Durch Herrn Y. komme ich jetzt jedoch noch mehr ins Grübeln über das Thema Integration. Irgendwas klappt dabei auch dann nicht, wenn sich beide Seiten bemühen. Woran liegt es?

P.S.: Ihr Blog ist sehr interessant, jetzt ist es schon zu spät, aber ich werde mit Sicherheit in den nächsten Tagen weiterlesen!

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Ich empfehle den folgenden Beitrag zu lesen.

"Der Publizist Hamed Abdel-Samad prangert die Toleranz im Umgang mit dem Islam an. Europäische Politiker seien naiv, würden Extremisten Schlupflöcher bieten. Statt Parolen fordert er harte Maßnahmen. "Wir haben ein ernsthaftes Problem." Zu diesem Fa...

DIE WELT - Dienstag, 25. Oktober 2016

http://a.msn.com/r/2/AAjnIHn?a=1&m=DE-DE

Ansonsten würde ich das empfehlen was ich den 'herummeckernden' Deutschen hier empfehle: "Wenn Ihnen die Kultur nicht passt, gehen Sie dorthin zurück wo Sie hergekommen sind. Es hat Sie niemand gerufen."
Summe eines langen Leben, nach Erfahrungen in über 50 Ländern.

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Haha,
wenn man das hier herummeckernden oder sich nicht anpassen wollenden Ausländern sagt, sind wir bestenfalls ausländerfeindlich, schlimmstenfalls rechtsradikale Nazis.

Es ist anscheinend doch immer alles relativ. ;o)

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Ich musste jetzt wirklich lachen. Das stimmt absolut! Wollen wir hoffen, dass vor meiner Sprechstunde keine Anti-Hatespeech-Demo von der Antifa demnächst ausgerufen wird ;-)

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@user behrens:

Ich habe sehr viel über dieses Thema nachgedacht (so lange, dass mein Mann sofort ausschaltet, so bald ich anfange, darüber zu sprechen). Ich bin in Deutschland noch nie mit einem Mann konfrontiert worden, der mir die Hand nicht geben wollte - vielleicht liegt es daran, dass ich fast nur weibliche Patientinnen habe, und auch bei den begleitenden Angehörigen bin ich bis jetzt vom verweigerten Handschlag verschont geblieben. Da wir aber im letzten Jahr ab und zu kleine Vorfälle in der Notfallaufnahme hatten (Verweigerung der Behandlung durch Ärztin, "ich will mit einem Mann sprechen"-Sprüche etc.), habe ich für mich lange überlegt, was ich tun würde, wenn der Ehemann einer Patientin meine freundlich ausgestreckte Hand in der Luft hängen lässt. Eine größere Beleidigung kann ich mir kaum vorstellen. Nicht umsonst sagt man: "dem würde ich die Hand nicht geben". Wie würde ich darauf reagieren? Mein Herz sagt: aus der Sprechstunde rausschmeißen. Vernünftig wäre es sicherlich nicht, denn auf eine Rückendeckung meiner Vorgestzten oder gar der Politik kann man definitiv nicht zählen (s. Fall der Lehrerin an einer Berliner Schule, die den Vater eines Schülers aufforderte, ihr die Hand zu geben - die Schule hat sich mittlerweile entschuldigt: http://www.spiegel.de/lebenundlernen/schule/handschlag-eklat-in-berlin-schule-entschuldigt-sich-bei-imam-a-1102960.html).

Ich glaube, dass es hier gar nicht so sehr um den Handschlag selbst geht, sondern darum, wer ihn verweigert. Würden plötzlich Buddhisten, Vietnamesen oder irgendeine friedliche Gruppe es tun, würde man es wahrscheinlich merkwürdig, aber akzeptabel finden. Vielleicht hätte man das gar nicht so richtig gemerkt? Dass es aber um die Vertreter einer sehr fundamentalen Auslegung des Islam geht, empfinde ich es als bewusst beleidigend und frauenverachtend. Und ich finde es schade, dass mir noch Männer erklären, ich sollte mich nicht so anstellen.

Eine kleine Fantasie-Übung. Jemand fängt an, den Schwarzen die Hand zu verweigern. Aus Respekt, betont er. Er denkt sich eine andere Form der Begrüßung aus, sagen wir er legt seine Hand aufs Herz oder so. Hauptsache aber nicht berühren. Tausend Demos werden für den nächsten Tag angemeldet, darauf wette ich. Warum sollte es weniger verletzend sein wenn es um Frauen geht?

Ist es eigentlich das einzige, was Herrn Y an seiner Integration hindert? Hat er eine Frau? Glaubt er, dass ein Mann mehrere Frauen haben darf? Dass eine Frau ihre Sexualität nicht frei ausleben darf? Wäre sehr spannend, das zu wissen! Ich weiß natürlicht nicht, ob Sie mit ihm über solche Themen offen sprechen können.

Wussten Sie, dass viele der Pariser-Terroristen im öffentlichen Busverkehr arbeiteten? Offensichtlich gibt es dort eine starke Islamistenbewegung. Vor ein paar Jahren haben sie aufgehört, den Mitarbeiterinnen das in Frankreich übliche Küsschen zur Begrüßung zu geben, später haben sie sich geweigert, einen Bus zu fahren, den vorher eine Fahrerin gefahren hat. Und irgendwann war es Dschihad.

Mich überzeugt sehr die Erklärung von Ahmad Mansour ("Generation Allah"). Er ist der Meinung, dass die Mehrheit der Muslime ein sehr konservatives Islamverständnis lebt und dieses Mainstream bildet die Basis für die Radikalisierung. In anderen Worten: die Mehrheit sagt "Ein Mädchen darf keinen Freund vor der Ehe haben", und die radikale Minderheit geht einen Schritt weiter und begeht Ehrenmord.

Ps. Ich fand Ihren Blog auch extrem interessant! :-)

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Der Grund, warum mir Herr Y. nicht die Hand gibt, liegt ja darin begründet, dass es für einen muslimischen Mann nur dann erlaubt ist, einer Frau die Hand zu geben, wenn diese Berührung eindeutig familiärer Natur ist, also wenn es sich um Familienmitglieder handelt. Es wird damit also demnach Respekt und eben gerade nicht fehlender Respekt ausgedrückt. Dennoch ist es genauso, wie Sie es beschreiben: eine Abweisung der hingestreckten Hand empfindet man normalerweise als beleidigend. Das ist aber gerade die Merkwürdigkeit, denn Herr Y. ist ja ausgesprochen höflich und respektvoll, während ich als junge Frau sehr viele sexuelle Übergriff erlebt habe, die eben nicht von traditionellen Muslimen kamen, sondern von äußerst modern und chic aussehenden jungen Männern. Ich habe das vor einiger Zeit hier auch schon beschrieben.

Sie fragen, ob die Sache mit dem Händegeben der einzige Grund ist, der die Integration von Herrn Y. behindert. Nein, es ist zum Teil auch der Umstand, dass er einen Vollbart trägt, er ist in der U-Bahn schon mal von Nazis zusammengeschlagen worden, obwohl er gar nichts getan hat, sondern einfach nur „anders“ aussieht. Und ja, eine Frau hatte Herr Y. hier in Deutschland auch und erst nach der Trennung hat er sich dem Glauben so stark zugewendet. Der Wunsch, in Deutschland zu bleiben ist vorrangig auch darin begründet, dass Herr Y. erhebliche gesundheitliche Beschwerden hat und in seiner Heimat in Nordafrika eine medizinische Versorgung schlichtweg so gut wie gar nicht existiert (das bestätigen mir auch andere unserer ausländischen Freunde). Das Interessante ist übrigens, dass seine Familie seine Veränderung überhaupt nicht gut findet und er beispielsweise für seinen Vollbart ziemlich heftige Vorwürfe erntet.

Ich empfinde das Thema Integration als ein riesiges Dilemma, denn einerseits möchte ich andere Kulturen und Religionen respektieren und bin auch bei weitem nicht der Meinung, dass unsere sogenannte „abendländische Kultur“ perfekt ist. Andererseits sind eben andere Kulturen auch nicht perfekt und mit dem Aussprechen dieser Tatsache fängt das Problem an, da man sofort in die Ecke zu Pegida und AFN gerückt wird und das ist dann das Totschlagargument – nichts geht mehr.

Einer meiner Kollegen hat dazu mal geäußert, dass die deutsche Vergangenheit sich bis heute dahingehend auswirkt, immer und überall ängstlich darauf zu achten, ob sich etwas wiederholt und dabei übertreiben wir mittlerweile heftig. Denn Menschenrechtsverletzungen sind an keine Nationalität gebunden, sondern es gibt sie überall und man muss sie benennen dürfen. Und wenn dies nicht mehr möglich ist, dann können wir sehr schnell wieder in einer Zeit landen, in der sich ungute Dinge wiederholen. Der erste Schritt wurde schon gegangen, indem die Berechtigung der Pressefreiheit in Frage gestellt wird. Was kommt dann?

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Ich bin auch der Meinung, dass man über Probleme anderer Kulturkreise offen sprechen soll. Das ist aber in Deutschland sehr schwierig. Ich denke Ihr Kollege hat Recht, wenn er die Ursache in der Geschichte sucht. Für mich aber (Polin mit jüdischen Wurzeln) ist die verkrampfte Diskussion sehr schwer zu ertragen. Es ist wirklich ein Armutszeugnis, wenn man in die Talkshows Ausländer einladen muss, weil sich sonst niemand traut, eine andere Meinung zu haben, als diese, die uns von der Regierung und den Medien als einzig richtige dargestellt wird (z.B. Mikl-Leitner aus Österreich, Roger Köppel aus der Schweiz, Broder usw.).

Interessanterweise wurde wurde in der letzten Zeit viel über die gefährdete Demokratie in Polen berichtet, und ich bin definitiv kein Fan der Kaczynski-Partei, aber mein Eindruck seit Beginn der Flüchtlingskrise war, dass die öffentliche Debatte in Polen viel offener, vielfältiger und demokratischer war als in Deutschland.

Was mir noch bei der Handschlag-Problematik Sorgen bereitet ist der Verbot jeglichen Körperkontakts zwischen den Geschlechtern. Das bedeutet, dass man permanent darauf achten muss, ob die Hand der Verkäuferin in der Bäckerei nicht berührt wurde beim Wechselgeldannehmen, ob in der Arbeit die Kollegin nicht berührt wurde, wenn sie einem den Kaffee gibt usw. Das sexualisiert das Miteinander unglaublich. Ich glaube, dass der Geschlechter-Apartheid (den Begriff benutzt dafür z.B. Güner Balci, die ich sehr schätze) zwangsläufig dazu führt, dass sich alles um Sex dreht. Es hat mich nicht überrascht, dass gerade in den muslimischen Länder am meisten nach Pornographie im Internet gesucht wird. Google publiziert seine Statistik zu diesem Thema regelmäßig. http://tribune.com.pk/story/823696/pakistan-tops-list-of-most-porn-searching-countries-google/

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Den Begriff „Geschlechter-Apartheit“ benutze ich selbst auch schon lange, denn nichts anderes bedeutet es, wenn in allen erdenklichen Bereichen Frauen von Männern separiert werden. So wie es in Südafrika jahrzehntelang zwei Zonen im Bus für Weiße und Schwarze gab, so gibt es dies bis zum heutigen Tage in Saudi-Arabien immer noch – nur das sich niemand darüber aufregt. Und ich sehe auch die Sache mit der Sexualisierung genauso. Man kann Frauen sexualisieren, indem man sie – so wie bei uns üblich – wie in einer Fleischtheke präsentiert oder aber man vermummt sie wie ein wandelndes Zelt, weil jeder sichtbare Zentimeter schon Sexualität signalisieren könnte. Beides ist krank. Über ersteres kann man jedoch nach Lust und Laune meckern, ohne den Vorwurf des Rassismus zu erhalten, man wird allenfalls als verklemmt und spießig tituliert.

Man kann natürlich einwenden, dass jeder selbst entscheiden können darf, wie er sich kleidet. Das löst jedoch das Problem nicht wirklich, denn mit der Art des sich Kleidens sind in diesem Falle Wertungen verbunden, da es nicht um irgendwelche Modefragen geht, sondern um die mit der Kleidung verbundene Einstellung. Ich erinnere mich bei diesem Thema an den „Ehrenmord“ der 16jährigen Morsal Obeidi im Jahr 2008. Morsal wurde von ihrem Bruder getötet, weil sie allein ausgehen wollte und weil sie kurze Röcke trug. In unserer Hamburger Tageszeitung las ich dann einen Leserbrief, in dem der Ehrenmord zwar verurteilt wurde, aber gleichzeitig wurde auch betont, dass es auch nicht normal sei, wenn junge Mädchen zu viel Freiheiten hätten und Miniröcke tragen würden. Der Schreiber des Leserbriefs hatte einen arabischen Namen (und einen Doktortitel!). Wie man sieht, geht es also nicht um Kleidung als individueller Ausdruck des Geschmacks, sondern um Kleidung als Ausdruck moralischer Gesinnung, was dann für all jene Frauen, die kurze Röcke, enge Hosen oder tiefe Ausschnitte tragen, mit einer erheblichen Abwertung verbunden ist.

Güner Yasemin Balci finde ich auch toll, vor ein paar Wochen habe ich die höchst aufschlussreiche Doku „Der Jungfrauenwahn“ gesehen. Und bei Youtube habe ich mir einen Talkshow-Ausschnitt angeguckt, in der Balci vehement die Opfertheorie kritisierte und dabei nachdrücklich betonte, dass sich beispielsweise ihr Vater hier in Deutschland niemals als Opfer ansah, sondern seinen Kindern vermittelte, dass sie hier viele Chancen hätten, die sie nutzen sollten. Eine wirklich tolle Frau.

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Hehe, wem sagen Sie es... https://aussichteinerfrau.blogger.de/stories/2607770/
:-)

Nach jedem Ehrenmord wird auch von Seiten der konservativen Islamverbände betont, dass Gewalt auf schärfste verurteilt wird... Nur den Mädchen ihre Cliquen, Röcke und Dates zu erlauben, dazu können sie sich nicht durchringen.

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@behrens: Mir fiel spontan noch eine Frage ein. Würde sich Herr Y. von einer Frau behandeln lassen? Wenn ja, dann muss es in seiner Islamauslegung eine Art Dispens für eine "professionelle" Berührung geben - wäre es nicht auch bei den Bewerbungen oder Hausbesichtigungen anzuwenden?

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