Sonntag, 12. März 2017
Lieber ein Ausländer als ein Landsmann, den ich nicht mag
Diese Woche konnten wir einige kuriose Entwicklungen auf dem EU-Gipfel beobachten. Donald Tusk wurde erneut zum Ratspräsidenten gewählt. 27:1. Das einzige Land, das sich gegen seine Wiederwahl positionierte, war seine Heimat. Die polnische Regierung schlug zwei Wochen vor der Wahl einen Gegenkandidaten vor, der zwar ein erfahrener Diplomat, aber weitestgehend unbekannt ist. Es war absehbar, dass - sollte Tusk nicht gewählt werden - die Wahl auf einen Kandidaten aus einem anderen Land fallen würde.

Und trotzdem war eine persönliche Vendetta des Parteivorsitzenden Kaczynski wichtiger.

Es ist schwierig, jemandem aus Deutschland, Frankreich oder England zu erklären, wie intensiv diese Motivation sein musste. Der Pole ist im Ausland schon froh, wenn sein Land mit Holland nicht verwechselt wird, und bekommt feuchte Augen, wenn von Lewandowski gesprochen wird. So sind wir Polen - durch Jahrzehnte des Kommunismus ins politische Abseits geraten, lieben wir jeden Sportler, Priester und ja, auch Politiker, der uns international erkennbar macht. Der Stolz, der den Polen erfüllt, wenn er an den Papst Johannes Paul II denkt, grenzt an religiöse Verehrung, ganz unabhängig davon, ob er gläubig ist oder nicht.

Bei Donald Tusk war es nicht anders. Zu sehen, wie er als respektiertes Mitglied der europäischen Führungsriege auftritt, wie er Reden auf Englisch hält (in seiner Generation alles andere als selbstverständlich!) und mit den Staatschefs verhandelt, war Balsam für die traumatisierte polnische Seele.

Trotzdem hat Warschau entschieden, in einer suizidalen Mission alles daran zu setzen, dass Tusk sein Amt verliert.

Es war eine typische polnische Aktion, temperamentvoll aber kopflos, katastrophal geplant und noch schlechter ausgeführt, in bester Tradition der zahlreichen polnischen Aufstände, vom November- bis zum Warschauer Aufstand. Und nachdem das Ergebnis stand, wurde angekündigt, dass Polen die Abschlusserklärung nicht unterzeichnen wird. So wie es aussieht, ist eine Unterzeichnung durch alle Staatschefs nicht zwingend notwendig, aber der Tenor ist klar: wir werden alles sabottieren, wenn ihr uns nicht entgegenkommt. Schlechte Verlierer zu sein, ist eins. Aber andere mit der totalen Blockade der Entscheidungsfindung zu erpressen, ist viel gefährlicher und leider auch keine neue Erfindung in der polnischen Geschichte. Die polnische Regierung wäre gut beraten, nicht zu vergessen, dass die Liberum Veto-Regel, die im 17. Jahrhundert im polnischen Abgeordnetenhaus eingeführt wurde, wesentlich dazu beigetragen hat, dass Polen zuerst den Status einer Großmacht, und dann seine Souverenität für 123 Jahre verlor.

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