Freitag, 4. November 2016
Eine Parallelwelt neben uns
Wer glaubt, dass New York die Hauptstadt des Fortschritts, der Moderne, des Neuen ist, wird nach dieser Lektüre den Hippie-Stadteil Williamsburg in Brooklyn mit anderen Augen sehen.



Deborah Feldman schrieb über ihr Leben in einer ultraorthodoxen jüdischen Gemeinde zunächst ein Blog und später ein Buch, das mittlerweile auch auf Deutsch erschienen ist.

Mitten in Brooklyn lebt eine große Community (geschätzt 50-100.000) der Satmar-Juden in einer faszinierenden, abgeschotteten Welt, die kein Fremder betreten kann. Die Anhänger der sehr konservativen, beinahe fundamentalistischen Glaubensrichtung sprechen Jiddisch (weil Englisch keine "saubere" Sprache ist), lesen keine englischen Bücher/Zeitungen, es herrscht eine strikte Geschlechtertrennung, Ehen werden arrangiert, und das Sexualleben ist einem komplexen System von Regeln unterworfen.


Quelle: Simon&Schuster-Verlag, simonandschuster.com

Die Kinder werden auf Jiddisch in den Privatschulen der Satmar-Community unterrichtet, natürlich Mädchen und Jungs getrennt. Ein Kind kommt auch ohne Englischkenntnisse innerhalb der Community aus, so dass Englischunterricht auf das notwendige Minimum von wenigen Stunden pro Woche beschränkt bleibt. Damit findet auch eine gewisse Zensur statt, weil Kinder nur Bücher lesen können, die auf Jiddisch übersetzt wurden. Zudem werden die Lehrbücher in der Schule tatsächlich zensiert, in dem Wörter wie z.B. "Universität" aus den Büchern in der Mädchenschule gestrichen werden. Bildung und Frauen scheinen sich in dieser Welt nicht gut zu vertragen: für Aufregung sorgte vor kurzem ein Statement der Satmar-Rabbiner, die vor den desaströsen Folgen der Bildung für junge Frauen warnten. Wer unterrichtet also in den Schulen, wenn ein College-Besuch ein no-go ist? Als Lehrerinnen für die jüngeren fungieren häufig Mädchen, die gerade die Schule mit 18 abgeschlossen haben, die älteren werden von wenigen Satmar-Jüdinnen unterrichtet, die auf ein College durften. So verhindert man, dass Mädchen Kontakt mit - Gott bewahre! - einer unabhängigen Akademikerin aufnehmen, die sie nur auf gefährliche Gedanken bringen könnte.

Deborah Feldmann hatte das Glück, ein sehr aufgewecktes Mädchen zu sein, das sich quasi selbst Englisch beibringen konnte; die restliche Emanzipation war den heimlichen Besuchen in der Bibliothek zu verdanken.

Sie gibt in ihrem Buch teilweise sehr intime Details ihres orthodoxen Lebens preis. Durch die strikte Trennung der Geschlechter entstehen kuriose und manchmal gefährliche Situationen, weil das Wissen um den eigenen Körper bei jungen Menschen bei Null liegt und Sex ein großes Tabu ist. Trotzdem wird man den Gedanken nicht los, dass sich das Leben der Community um Sex dreht. Die meisten Mädchen wissen nicht mal, dass sie eine Vagina haben, werden aber von den Lehrerinnen verdächtigt, etwas "böses" (d.h. sexuelles) getan zu haben, weil sie auf einem Sommercamp einen Nachmittag schwänzen. Die Jungs onanieren so häufig gemeinsam, dass sie irgendwann wenig Reiz an Frauen verspüren. Frauen sollen keusch sein und ihre Haare verstecken, in dem sie a) ein hässliches Tuch (sehr fromm), b) eine Perücke aus künstlichen Haaren (mäßig fromm) oder c) eine Perücke aus echten Haaren (fast schon gefallene Frau) tragen. Die Sexualität wird in das Unausgesprochene verbannt, ist aber dadurch viel präsenter als wir es aus unserem offenen, freizügigen Miteinander kennen.

Ohne das Ende verraten zu wollen... Ein sehr gutes Buch über Frauenunterdrückung, die mitten in New York niemand merkt - mehr noch: unter dem Deckmantel religiöser Toleranz wird diese gestattet.


Quelle: fancymag.com

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Der #Aufschrei kommt von einer unerwarteten Seite


So wie es aussieht, könnte ich glatt der CDU beitreten. Wer hätte das gedacht, nachdem ich mich monatelang über das Betreuungsgeld und die "Wir sind kein Einwanderungsland"-Sprüche geärgert habe!

Das Interview nachzulesen gibt es hier.

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